Conrad Schierenberg

© beim Autor

ANHANG

 

 

ich glaube . .

 

1

 

Ich glaub, ein Mensch jedwedlichen Geschlechtes

Der, wenn man ihn denn lässt, ja manches tut

Beherrscht von Feigheit eher, als von Mut

Der psychischen Struktur gemeinen Knechtes

 

Dass er ganz gern von sich meint, er sei gut.

Doch was ihm auch gerät, ist oft nichts Rechtes

Mit Herz getan, alleine das schon brächt’ es.

Ganz unfreiwillig Tränen, Schweiß und Blut

 

Sind die Begleiter seiner trüben Tage.

Was ihm vom Spiegel da entgegen gafft

Ist, glaub ich, doch ein selten dummes Tier

 

Das nichts dazu lernt, leidet, lügt und rafft.

Kann überhaupt, so stellt sich hier die Frage

Der Mensch, die arme Sau denn was dafür?

 

2

 

Ich glaube nicht, dass Menschen blauen Blutes

Bekleidet mittels feinst gewobenen Tuchs

Hochmütig fern plebejischen Geruchs

Und englisch elegant fast (dank des Hutes)

 

Kaum je doch in Begleitung eines Buchs

Besitzer gar manch namhaften Gestutes

Zumindest hypothekenfreien Gutes

Des Inzests nicht verdächtigt - nur des Fluchs

 

Genaues weiß man nicht, drum unbescholten

Chauffiert in den erlesensten Karossen

Mit Kaviar genährt und Sekt-begossen

 

Mit nie nur einer Schwiele an den Flossen

Ich glaub nicht, dass - auch wenn sie’s gern wollten

Wir uns mit denen sehen lassen sollten.

 

3

 

Ich glaube, dass ein Reicher, und das stimmt

Sonst wäre er nicht reich, dass er gern nimmt

Und dass die Freude, die er hat am Leben

Es ist, mit viel Besitz sich zu umgeben.

 

Nur, davon gibt es ganz beschränkte Mengen

Weshalb sich viele Leute darum drängen

Bis im Gerangel es der eine schafft

Der dann den Löwenanteil sich errafft.

 

Wir wollten auch, doch nun weit abgeschlagen

Stehn wir verzagt  und sehn mit Unbehagen

Wie an das Zeug zu kommen er verstand.

 

Die Ellenbogen erst, Mann, dann die Hand!

Ich mein, s’wär mies, dem Kerl den Kies zu neiden

Wir bleiben Mensch, arm, edel und bescheiden.

 

4

 

Ich glaube, dass ein Mensch, der sich gern rühmt

Mit Lust erzählt von seinen Heldentaten

(Nun, von den Taten, die ihm nicht missraten)

Vergisst, dass sich das eigentlich nicht ziemt.

 

Was in die Hose ging verschweigt er lieber

Er gibt den einfach immer tollen Hecht

Kommt ihm ein andrer, dünkt sich auch nicht schlecht

Verhöhnt er s’scheinbar schwächere Kaliber.

 

Für die, die straucheln, wenn sie vorwärts wollen

Für den, der stets in trauter Herde trabt

Glaub, Lob gibt’s keins für diese minder Tollen

 

Die nicht verstehn um sich viel Wind zu machen

Sie sind zwar liebenswert doch unbegabt

Der Prahlhans oben aber ist zum Lachen . .

 

5

 

Ich glaube, spürt ein Mensch in sich den Drang

Dem Wein, dem Weibe und dem Lied zu frönen

Er nicht verdient, dass wir ihn drum verhöhnen

Genieß er das Erfreuliche noch lang!

 

Zu wünschen wär’s ihm. Doch Genuss des Schönen

(Man denke an den Trunk und den Gesang)

Oft wird zum Suff das eine – aus dem Klang

Des Lieds ein böses Grölen. Oder Stöhnen

 

Dort wo’s das Weib betrifft. Sie gibt sich gern

(Ein Selbstschutz mehr, tut sie am Anfang schüchtern)

Ich glaub, sie mag es, bleibt Mann ihr nicht fern

 

(Gibt sich schon gern, nur gibt sie sich nicht allen)

Dann - bleiben beide singend nicht ganz nüchtern

Wird, was geschieht, wohl beiden auch gefallen.

 

6

 

Ich glaube dass ein Mensch und guter Christ

Den alle vierzehn Heiligen protégieren

Die Himmelfährigkeit aufzupolieren

Nicht müde wird. Solch einer du doch bist?!

 

Wir aber, die nach Fleisches Wollust gieren

In Mammons Diensten und mit böser List

Die traurige Welt durch unseren Heiden-Mist

Verhöhnend der Verdammnis überführen

 

Uns Sündigen, mein ich, gilt des Frommen Pflicht

Dass gerne er an uns Vergebung übe

(Gottlob kein Scheiterhaufen mehr für Strolche

 

Auch blass die Furcht vorm himmlischen Gericht

Am Jüngsten Tag ja erst.) Ach, Nächstenliebe!

Ungläubig danken wir für eine solche.

 

7

 

Ich glaube, dass ein Mensch, d.h. ein Mann

Ganz unfromm laut sich gerne spreizt und brüstet

Den Charme anwirft und damit überlistet

Die holde Weiblichkeit - soweit er kann.

 

Kommt er dann gar bei einer mal zu Potte

(Wenn nicht, gestünde das Malheur er kaum)

Kriegt endlich seine Brunft den nötigen Raum

Wähnt er sich, wenn auch kurz, gleich einem Gotte!

 

Ich glaub, für Keuschheit ist kein Platz im Leben

Drum sei der Drang dem Manne hier vergeben

Will er den Geist nur auf das Eine lenken

 

Als Knecht des Leibs veräußern seine Säfte!

Tut er es nicht, (und das ist zu bedenken)

Versiegen ihm auch alle anderen Kräfte.

 

8

 

Ich glaube, dass ein Mensch, wie man ihn nennt

Zum Zwecke seines Unterhalts gern räubert

Mit Sorgfalt nachts sich dann die Zähne säubert

Die Fingernägel auch, bevor er pennt

 

Wohl, wenn er lacht und raubt und klaut und lügt

Nimmt billigend in Kauf er die Beschmutzung

Doch wichtig ist ihm die ganz eigene Nutzung

Der Güter (als auch, dass er immer siegt).

 

Wir sehn ihn oft, er ist der Altbekannte

Geschwister, Feind, fast wie das eigene Ich

So schrecklich ähnlich,  ist nur Variante

 

Des einen Musters, ist der Anverwandte

Des Wüsten, Bösen, man begegnet sich

Im Mörderischen, das man scheinbar bannte . .

 

9

 

Ich glaube dass, will sich ein Mensch gern töten

Er mehr braucht als er glaubt. Es sei von Nöten

Meint er, zu einem Laden nur zu laufen

Um dort sich einen Kälberstrick zu kaufen

 

(Ich wüsste nicht, wo’s den zu kaufen gibt).

Das Leben, das der Mensch da nicht mehr liebt

Ist ja mitunter auch ganz schön beschissen

Noch lang kein Grund, sich deshalb zu verpissen

 

Und zu riskieren, dass per Gift, Pistole

Wie obigen Stricks man gar den Tod sich hole

Gewaltsam, quasi, viel zu früh entschliefe

 

Bevor der Herr Gevatter sonst uns riefe

Und so verpasst, wenn man hinweg sich nähme

Das Schöne, das vielleicht danach noch käme . . 

 

10

 

Ich glaub, verhindert einer seine Eier

Zuweilen sich ganz zweckfrei zu vergeuden

Da leidet er, - wird, - lässt er andere leiden

Als Leib der sich nicht schenkt, zum Ungeheuer

 

Im Zwang der andern Liebes-Drang zu neiden.

Was Liebe soll bei einem geilen Freier

Wird hier gefragt? Es ist die alte Leier

Hier ein Versuch zur Antwort, ganz bescheiden:

 

Wer nicht vermag sich körperlich zu geben

Liebt wenig gut, versucht er’s nur beseelt

Der Geist ist eins, Tribut jedoch dem Leben!

 

Nur gürtel-aufwärts ist es halb gefehlt

Ich glaub, wird keusch der Zeugung Saft verschwiegen

Muss kränkelnd auch der Liebe Kraft versiegen.

 

11

 

Ich glaube dass ein Mensch, der gern viel trinkt

Den Umstand seines Tuns sucht zu vergessen

Ist trinkend vom Vergessen so besessen

Bis er am Ziel des Wunsches niedersinkt.

 

Ziemt dir es,  den Charakter ihm zu messen?

Vielleicht ist der rachitisch oder hinkt

Hat schon ‚haut goût’ (bei uns sagt man, er stinkt)

Soll dann der Kerl, dass er dir mehr beliebt

 

Anstatt zu saufen, huren, dichten, fressen!?

Ich glaub in keinem Fall braucht’s unsere Häme

Und dass Gewissensnot er an sich übt

 

Zwing doch den Sünder nicht, dass er sich schäme!

Das Laster mehrt sich kaum, noch dass sich’s mindert

Lässt Du dem Trinker seines ungehindert . .

 

12

 

Ich glaub, wenn er die Wahrheit leicht verbiegt -

Der Mensch, der unergründliche, im Sehnen

Nach Wirklichkeit nicht, sondern mehr dem Schönen

Das Wort schenkt  - sagt man sofort, dass er lügt.

 

Jedoch am Leid der Welt und ihren Schwären

(In Form von Kunst wird dieses zwar beweint

Da Mitleid heuchelnd man sich ihm vereint)

Vermag kaum unser einer sich zu nähren.

 

Ich glaub, das Schlimme ist recht unverdaulich

Und wer erkennt das wirklich Wahre schon?

Im Grund hat’s jeder schön gern und beschaulich

 

Wenn nicht grad kläffend, sind wir nette Leute

Mit leichter Sucht zum Seichten wie zum Hohn

Ich, du, wir -  sind doch alles eine Meute . .

 

_____________________

 

 

Miscellanea. .

 

13   (CCCXXXV)

 

Bekränzt mit Lorbeer, also kein Prolet

War er ein Teil vom seltenen Gelichter

Der Keuschen, Eremiten, hehren Dichter

Und nannte sich Petrarca. Der Poet

 

Dreihundert-fünf-und-dreißig mal gemacht

Hat unter manchem anderen er Sonette

(Als ob den Haufen einer nötig hätte

Wer je drin las, der hat nicht viel gelacht).

 

Zu allem Überfluss hab ich so viel

Von denen mir jetzt auch zurechtgebogen

(Petrarca einzuholen war das Ziel).

 

Nicht fromm die Schreibe, deshalb doch nicht seichter

Weit weniger Sorgue-nvoll und selbst-bezogen

Ich hoffe drum, sie liest sich etwas leichter . .

 

14

 

Ganz unwillkürlich stellt sich bei van Gogh

(Da seine Bilder ihm so schön gelungen)

Die Frage, warum er denn nicht gerungen

Mit einer weiteren Kunst. Das braucht’s doch noch.

 

Wär es verkehrt wenn, sagen wir, Cezanne

Nebst seinem Werk, das er zustande brachte

Umgoldet hätte das von ihm Gemachte

Und ein Gedicht geschrieben dann und wann?

 

Ist einer irgend schöpferisch geartet

Wird, (dass er in noch größerem Ruhm sich zeigt)

Von ihm verschiedenartige Tat erwartet

 

Nur Bilder malen ist doch recht erbärmlich

Malt einer, - tanzt wohl, singt er auch und geigt

Van Gogh - warum war das mit dem so ärmlich?

 

15

 

Was haben wir’s gut, verglichen mit den meisten

Die sonst wo raubend fremdes Land besetzen

Mit Kriegsgewalt. Wir wollen nicht verletzen

Ich glaub, wir sind recht freundlich, sind die Feisten

 

Mit Haus und Auto, nicht in alten Fetzen

Wir können Mehrwert schaffen, uns was leisten

Vorbei auch, da wir bös die Welt verschleißten

Und man von uns nur hörte mit Entsetzen.

 

Ein friedliebendes Volk sind wir geworden

Verschuldet zwar, verlierend leicht an Masse

Im Urlaub noch gerinnen wir zu Horden

 

Und strömen über dann in alle Ferne

(Man mag uns trotzdem, macht mit uns ja Kasse)

Wir haben’s doch gut und leben gut und gerne . .

 

16

 

Die Dichter malen und die Maler dichten

Denn ihrem Schöpfergeiste fällt es schwer

(Und sei das Unterfangen noch so hehr)

Sich Zügel anzulegen, sich zu richten

 

Auf ein Ding nur. Ganz ist es ihr Begehr

Im Unmut mit dem Eignen, Mäßigen, Schlichten

Nicht auf noch weiteren Ausdruck zu verzichten

Mein Tun bin ICH! All andres schal und leer!

 

Die schönste Kür, Musik in süßem Raunen

Nein, schöner noch, des Wortes Tanz im Takte

Die Malerei lässt alle Welt erstaunen!

 

Skulptur, ist sie nicht größer als das Malen?

Wenn ich doch alle Fertigkeiten packte!

Verzettelt und verloren unter Qualen . .

 

17

 

Ach, Christian, unser Morgenstern

Wir haben dich zum Fressen gern!

Gleichzeitig wäre hier zu fragen

Kannst du das überhaupt vertragen?

 

„Ich mag es”, meint der, „nur bedingt

Wenn man aus Liebe mich verschlingt.

Es ist nun mal des Dichters Wesen

Verschlungen weniger, mehr gelesen

 

Erst fühlt er wirklich sich verstanden

(Man kommt sich sonst so leicht abhanden).

Gern unverzehrt wirk ich allein

 

In meinem Turm aus Elfenbein

Doch selbstlos überlass ich euch-t

Was meinem Genius dort entfleucht . .”

 

18

 

Wie soll sie sein, die Arbeit an den Worten

Bescheiden leise, oder episch, breiter

Vergleichen Verse sich mit weichen Torten

Soll satt sein, wer sie liest, wenn nicht gescheiter?

 

Wo gilt es denn die Latte zu verorten?

Viel höher springen, schneller, sogar weiter

Die Herren Goethe, Schiller und Konsorten

Doch macht nach Kräften mitzuhüpfen heiter.

 

Die hehren Meister sollen uns nicht lähmen!

Wir können denen nicht das Wasser reichen?

Wir haben Wein. Hoch-trabendes Getue

 

Ob mancher Schreibe sollten die sich schämen.

Mag sein zu groß - zu alt sind ihre Schuhe

Mehr barfuß lieben wir umher zu streichen . .

 

19

 

Einer Grille sind wir böse

Die mit zirpendem Getöse

Unserem sorgenvollen Haupte

Die ihm nötige Ruhe raubte.

 

Drum bewehrt mit einem Lichte

Machten Jagd wir nach dem Wichte

Welcher sich da ungefragt

Bis in unser Zelt gewagt.

 

Unter Kleidern, Schuhen Pfannen

Fanden wir das Vieh sodann-en

Stülpten einen Topf darüber

 

Trugens’ in den Wald hinüber.

Fazit: Keiner kann mit Lärmen

Wen des nachts für sich erwärmen

 

(Außer einem Tier vielleicht

Das ihm gattungsmäßig gleicht . .)

 

20

 

Die Dichtkunst ist zwar eine heilige Sache

Doch schwierig, weil viel Regeln sie beengen

Dass man versuche, sie manchmal zu sprengen

Und über ihren hohen Anspruch lache!

 

Gesetz nur brächte Freiheit, meinte Goethe

Wenn sich denn die Beschränkung ließe meistern

(Viel gilt, von dem was der sagt, zu zukleistern

Man hat mit dem Genie so seine Nöte . .)

 

Rebell war der nicht –  doch auch wir sind keine

(Gejagt, die, oft gehenkt) – nur wir, die Feigen

Wir leben lang und sterben dann im Bett.

 

Dir wird und mir kein Glorienschein zueigen

Scheißt jeder hie und da sich ein Sonett

Gefahrlos macht halt jeder so das Seine . .

 

21

 

The Ides of March have come and gone

But there is no news of my son

Is he now out of dosh and bread

Chucked from his digs and starving dead?

 

Or does he (as quite often) sup

Posh with his mates and live it up?

Has he – disgracing our name

A bunk-up with some sleezy dame?

 

While smitten with parental sorrow

I do fear, though, he wants to borrow

(What may not be repaid in ages)

 

His poor old father’s poky wages

Wish he’d pass word that he’s alright

I then could better sleep at night . .

 

_____________________

 

 

Ex Oriente . .

 

22

 

Es scheint manch anderer glücklos und zu leiden

Jedoch um mein Los bin ich zu beneiden

Hab mich zwar grad wie Sisyphus zerschlissen

Und zwölf Sonette meinem Hirn entrissen

 

In sieben Nächten, das soll einer machen!

Ich habe es gemacht und drum gut lachen.

Wer tut nicht mal Vergebliches hienieden

Wie tragisch es einst obigem Herrn beschieden.

 

Derweil viel Schnee bestürmt die deutschen Lande

Lieg ich am Roten Meer im warmen Sande

Und rate jedem, der den Zaster hätte

 

Mir’s gleich zu tun, doch ohne zwölf Sonette

Die Plage wär, da keiner sie mag lesen

Umsonst auch wie bei Sisyphus gewesen.

 

23

 

Ras Banas. 1. Fassung

 

Ich fuhr mit etwas Geld am End vom Jahre

Ins Morgenland, besah mir das und dies

Entdeckte dabei siebzehn Dromedare

Im Sand stehn, nah beim Weg nach Berenice.

 

Ob ich aus Sehnsucht wohl noch einmal fahre

Der Dromedare wegen, die ich ließ?

Sie käuten wieder – hinterm Wimpernhaare

So schwer ihr Auge; ach, ich fand sie süß!

 

Was fraßen sie denn bloß, es gab kein Gras

Auch Wasser keins, nur Sand und ein paar Steine

Bei Berenice am Rand von Ras Banas.

 

Sie waren einsam aber nicht alleine

Denn voller Liebe ging ich hin zu ihnen

Und sah in ihre alt-ehrwürdigen Mienen.

 

24

 

Ras Banas. 2. Fassung

 

Ich machte mich mit Ras Banas bekannt

Ein trauriger Ort ist das von wüster Leere

Der heiß und steinig sich wie auch voll Sand

Erstreckt paen-insulär zum Roten Meere

 

Und fand Geschwister dort, so lang verloren

Geglaubt, warf mich in Tränen hin und schrie:

„Wie ihr, bin ich auch als Kamel geboren

Euch sieht man’s an, bei mir nur merkt man’s nie

 

Bis in uns eigener Einfalt ich was sage.“

Ein Dromedar besah mich lang und fest

Sein Auge sprach: „Mensch, du bist eine Plage

 

Wir sind o.k., - dir scheint zu sein beschwerlich

Wir fressen Dornen, dass sich’s leben lässt

Geh, mach dein Ding, du bist uns unerklärlich.“

 

25

 

Gesalbt nur sieht sie die ägyptische Sonne

Und Langeweile herrscht hier vor der Wonne

Zuweilen lässt man sich Getränke reichen

Doch sprechen tut man nur mit seinesgleichen.

 

Die jungen Diener schauen unverwandt

Auf diese Gäste aus dem Abendland

Die sich zum Winter ihnen beigesellt

Halb nackt und ohne Takt, - welch eine Welt!

 

Die fremden Frauen zeigen fast die Brüste

Bei ihren Herren weckt das keine Lüste

Doch heimlich schaun die Diener zu den Schönen

 

Hinüber, halb entsetzt, halb voller Sehnen

So hoch  für eines Musel-Mädchens Schoß

Der Brautpreis, - Allah hilf, denn Du bist groß!

 

26

 

Es hebt ein Adler sich mit stolzer Schwinge

Hoch in den Äther, fliegt hinaus auf’s Meer

Damit er seiner Brut die Nahrung finge

Schau nur wie edel das Geschöpf und hehr!

 

Und überm Ozeane stößt er nieder

Das Auge wähnt ihn dort auf seiner Bahn

Da, endlich kehrt der große Vogel wieder

Man sieht dem Horst ihn mit der Beute nahn.

 

Doch was er hält in seinen mächtigen Fängen

Erweist sich nun als mickeriger Schwanz

Zwei Küken hungrig sich im Neste drängen

 

Den kleinen Fisch verschlingt das Stärkere ganz

Und wirft noch das Geschwister aus dem Neste

Man will gern alles - immer - und das Beste.

 

P.S. Nicht mal ein edler Adler kann recht glänzen

Kommt er nach Hause mit zu kleinen Schwänzen.

 

27

 

Semiramis, wir wissen von ihr wenig

War Mutter einem viel zu jungen König

Sie herrschte für ihn, tat es klug und weise

Doch zog das in der Nachwelt keine Kreise

 

Man folgte auch nicht einer ihrer Lehren

Begann doch bald als Göttin sie zu ehren

Bewundernd ihren Namen nur zu nennen

So dass wir den des Sohnes kaum mehr kennen

 

Obwohl zu seinem Ruhm sie angetreten

(Ne starke Frau ist immer mal von Nöten).

Weit in Ägyptens Süden, ganz genau

 

Weiß ihr geweiht ich einen Tempelbau

Doch würde eine Wallfahrt sich nicht lohnen

Dort herrschen Männer, stehen heut Kanonen.

 

28

 

Mit sehr viel Arbeit und wohl auch mit Spaß

Gerät einem Fellachen ein Stück Gras

Nicht dort, wo es vielleicht viel Wasser gibt

Ganz spärlich tropft’s, (wie sehr man es auch liebt)

 

Denn hier ist Wüste, sonst wächst nichts und nie

Die Sonne duldet jetzt, dass was gedieh

Denn eines morgens, als ich saß und las

Sah einen jungen Schirmpilz ich im Gras!

 

Nein, dies Gewächs hier in Ägyptens Wüste!

Gleich spüren sich schon meines Gaumens Lüste

Erregt zeig dem Fellachen ich den Pilz

 

„No eat“ sagt er sehr ernst, „no eat, it killss!“

(Vielleicht, - machst du was Schönes frischen Mutes

Erwächst daraus, selbst unerkannt, was Gutes).

 

29

 

Sie finden sich zusammen auf dem Strand

Und kommen doch einander nicht zu nah

Grad eingeflogen, - kaum erst richtig da

Drängt man den Minderen schon an den Rand.

 

Selbst ohne Kleidung wirken sie gepflegt

Sich räkelnd hingestreckt auf flauschigem Tuch

Und lesen lang in irgend einem Buch

Das nahe Meer hat sie noch nicht erregt.

 

Am Abend zieht man sich was Hübsches an

Und zeigt wenngleich dezent den eigenen Wert

Verkneift sich zu viel Alk, soweit man kann

 

(Als ob das was du säufst, jemanden schert)

Leis tönt Musik, doch keiner hört mehr hin

Wer lacht denn da zu oft zu laut und stört?

 

Dass ich jetzt hier von denen einer bin . .

 

30

 

Entschlossen nahmen wir uns jüngst zusammen

Am Riff und schauten in die blaue Tiefe

Des Wassers, wie geheimnisvoll sie riefe

So ganz ein Teil der Welt, die wir durchschwammen.

 

Umgeben nun von Rochen, Barsch und Aal

Und vielen anderen Geschöpfen, bunten

Von dunklen, scheuen am Korall weit unten

Geschah es, dass vom Grund mit einem mal

 

Sich jäh ein großer Fisch uns beigesellt.

Das Schicksal klopft und auch das Herz uns Schwimmern

Gern hätten wir erzählt, dass einem Hai

 

Des Aug voll Glut, des Leib im Silber-Schimmern

Wir voller Mut uns in den Weg gestellt.

Ein andrer war’s, der Fortgang einerlei . .

 

 

 

De Senectute

 

31

 

Durchpflügt hast du die Gunst mit offenem Ruder

Gestochert ungeniert bei manchem Luder

Um dann mit dem die Laken zu zerknüllen

Und reuhelos dein Leben zu zumüllen.

 

Du giertest nur nach Brunst und viel Gefummel

Als gäb es keine Leere nach dem Rummel

Gelinkt von einer nach der anderen Puppe

Liegst du am End allein in deiner Suppe.

 

Jetzt brauchst du schluchzend nicht herumzufuchteln

Du warst im Dunst mit Freiern und mit Schwuchteln

Wie sie mies immer nach dem Einen süchtig

 

Warst nie zu anderem tauglich oder tüchtig

Strengst dich auch jetzt nicht an, bleibst gern im Weichen

Und lässt den Rest, der dir noch bleibt, verstreichen . .

 

32

 

Lief, kroch und schob wer da nicht hastig keuchte

Und grabschte gierig, tat es auch nicht richtig

Genug kam nie von dem, was man doch bräuchte

Der schöne Zaster machte jeden süchtig.

 

Doch jetzt in Rente, subcutan am Faulen

Will man noch etwas Wärme, nimmt den Teller

Es bringt ja wenig, blöd herumzumaulen

Und setzt sich damit in den Heizungskeller.

 

Beziehungen schon lange am sich Lösen

Betätigungen finden sich auch keine

Man muss nichts, braucht nichts mehr und will nur dösen

 

Jetzt noch mal voll geschenkt und hoch die Beine

S’ruft niemand an. Die Guten wie die Bösen

Wer waren sie noch? Man ist ganz schön alleine . .

 

33

 

Was hab ich überhaupt noch hier verloren

Ein Schlachtschiff einst, jetzt mit zerknautschter Fresse

Bin langsam alt und stink aus allen Poren

Trink oft zuviel, so wie ich zu viel esse.

 

Nicht stark mehr formlos wirken Bauch und Finger

Schrill und mit ziemlich schrecklichen Geschmäckern

Sind aber Leute um mich, sehr viel jünger

Ich klotzte mal, da wo die heute kleckern.

 

Und steh -  man duzt  mich ohne lang zu fragen

Mit meinem ‚Sie’ auf ganz verlorenem Posten

Da keiner zuhört, gilt es was zu sagen

 

Halt ich den Mund und trage still die Kosten

Derjenigen, die sich larmoyant beklagen

Ich sei längst obsolet und am Verrosten . .

 

34

 

Was denn von diesem Leben übrig ist

Dass man es sich mit Sorgfalt doch bewahre

Es sind ja nur noch ein paar wenige Jahre

Zuvor zuviel verplempert. So ein Mist.

 

Die Zähne sind geflickte Trümmer. Haare

So ausgebleicht und schütter, etwas List

Und Farbe muss vertuschen das, was ist.

Begehrens-unwert, Schatten vor der Bahre

 

Wirst du allmählich mager oder fetter

(Stets voller Angst schon nach der Grube lugend)

Der Knochen ist porös und Sorgfalt Pflicht

 

Ein falscher Tritt, schon krachst du auf die Bretter

Zerbrochen und in Not – doch klage nicht

Wo Bahr’ und Grube droht, ist alles andere netter . .

 

35

 

Versucht mitunter diese Welt zu hassen

Hängt man doch dran und will sie nicht verlassen

Manchmal ganz schön, dann plötzlich eine Plage

Nicht jammern, überschlagen wir die Lage

 

Das Schicksal will uns also eine scheuern?

Die Augen auf, sich wehren, gegensteuern!

Gebissen wie ein Hund mit seinen Wunden

Ist man doch einer unter anderen Hunden.

 

Mag überhaupt das Glück mir nicht mehr lächeln

Ich zeige noch die Zähne bis zum Röcheln.

Jetzt leb ich jetzt, will fluchen dürfen, fressen

 

Bei Weibern sein und saufend mich vergessen.

Bis ich mit euch die Unterwelt dann teile

Hat es doch hoffentlich noch eine Weile.